Yogic Icons in the Making: Alexandra David-Neel in India and Tibet and Yoga and Meditation in France and Europe (1890–1960)

„Yoga“ genießt heute immense Popularität und wird überall auf der Welt praktiziert, wobei er viele verschiedene Bedeutungen und Strömungen umfasst. Jüngste Forschungen zeigen, wie seine Entwicklung seit den 1930er Jahren und insbesondere seit den 1960er Jahren in einer dynamischen Interaktion zwischen Indien und ganz allgemein Asien, Europa und den Amerikas stattfand. Dieser Entwicklungsprozess begann jedoch bereits Ende des 19. Jahrhunderts an der Schnittstelle von esoterischen, wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Kreisen. Während sich bisher einige Studien der Konzeption des Yoga in englischsprachigen theosophischen Kreisen widmeten, wurde die Rolle französischer okkultistischer Kreise in der Kulturgeschichte des globalen Yoga noch nicht ausreichend beachtet.
Seine Protagonist*innen – die Yogis und Yoginis – die eine Schlüsselrolle in der Schaffung der Bilder- und Vorstellungswelt Indiens und Tibets spielten, wurden bisher kaum untersucht. Der Transfer solcher Bilder- und Vorstellungswelten mit Blick auf Yoga, von Indien nach Tibet im globalen Kontext, verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Die Werke der belgisch-französischen buddhistischen Reisenden und Schriftstellerin Alexandra David-Neel (1868–1969) werfen ein Licht auf diese kaum bekannten, wiewohl immens wichtigen Aspekte der Geschichte des Yoga.
David-Neels Arbeiten zu Yoga spannen sich über einen Zeitraum von mehr als 70 Jahren. Vor allem ihre Bücher über Tibet, die seit den späten 1920er Jahren erschienen, trugen maßgeblich dazu bei, tibetische Yogis und Yoginis in einer breiten Öffentlichkeit zu popularisieren. Dieses literarische Werk ermöglicht es, fast ein Jahrhundert der Entwicklung des Yoga in Frankreich und den französischsprachigen Gebieten der Schweiz und Belgiens im globalen Kontext zu erforschen, und ist der Schlüssel zum Verständnis der Schaffung „yogischer Ikonen“.
Anhand von Archivdokumenten lassen sich David-Neels Reisetätigkeit in Asien und ihr plötzliches Interesse am tibetischen Yoga im Detail nachvollziehen. Dabei werden die dort angetroffenen Personen sichtbar, die an der globalen „Konstruktion“ und „Übersetzung“ des Yoga beteiligt waren. Mithin werden dadurch die historischen Verwebungen deutlich, die David-Neels Schriften zugrunde liegen und durchziehen.
David-Neel schrieb zudem ausführlich über buddhistische Meditation, die sie oft in Gegensatz zum Yoga positionierte. Gespeist wurde ihr diesbezügliches Verständnis durch ihr umfangreiches Netzwerk zahlreicher Persönlichkeiten in Frankreich, Europa, Nordamerika und Asien, die an der Entwicklung des Studiums und der Praxis „asiatischer Spiritualitäten“ beteiligt waren.
Eine Untersuchung des Schaffens von Alexandra David-Neel wirft ein neues Licht auf die Beziehung zwischen Yoga und Meditation und auf die Verflechtungsgeschichte dieser beiden Begriffe in der globalen Religionsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die unser heutiges Verständnis prägt.