Traditionalist East Asia
Der Traditionalismus ist eine dem alternativ-religiösen Spektrum zuzuordnende dezidiert anti-modernistische Strömung, die vor allem auf den Lehren des französischen Denkers René Guénon (1886–1951) zurückgeht. Von seiner Grundkonzeption her ist der Traditionalismus insbesondere der Vorstellung des sogenannten „Perennialismus“ verpflichtet, d.h. die Annahme einer alle großen Religionen durchdringenden universalen Wahrheit, die es freizulegen gilt. Traditionalist*innen bedienen sich primär bei asiatischen Religionen und deren Konzepten – etwa islamischer Sufismus, indischer Vedanta aber auch ostasiatische Religionen wie der japanische Zen-Buddhismus, Shinto oder der chinesische Daoismus – und passen diese in orientalistischer Manier selektiv in das eigene Gedankengebäude ein. Obwohl die wichtigsten Protagonist*innen des Traditionalismus lange tot sind, entfalten ihre Ideen und Werke bis heute großen Einfluss. Die Lehren des italienischen Denkers Julius Evola (1898–1974) etwa sind wichtige Impulsgeber für die Alt-Right-Bewegung und ihre diversen esoterischen und neopaganen Manifestationen. Evolas Rezeption des Zen-Buddhismus spielt hier eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dazu kommt, dass traditionalistische Lesarten (ost)asiatischer Religionen bis heute auch deren allgemeine Wahrnehmung beeinflussen.
Das Projekt setzt an diesem Punkt an und möchte eruieren, wie maßgebliche Denker*innen des Traditionalismus ostasiatische Religionen und deren Konzepte verhandeln und wie diese bis zur Gegenwart in unterschiedlichen bisweilen hochbrisanten religiösen und politischen Diskursen fortleben.