Forschung
Globale Religionsgeschichte
Meine aktuelle Forschung folgt grundsätzlich dem Ansatz einer globalen Religionsgeschichte, den ich in erster Linie in meiner rezent abgeschlossenen Arbeit über bengalisches Tantra im 19. und 20. Jahrhundert operationalisiert habe und momentan in neuen Projekten weiter vertiefe. Bereits veröffentlichte Resultate dieses Ansatzes können unter anderem in von mir mitherausgegebenen Sammelbänden zu Theosophy across Boundaries (mit Hans Martin Krämer, Japanologie, Heidelberg) und New Approaches to the Study of Esotericism (mit Egil Asprem, Religionswissenschaft, Stockholm) nachgeschlagen werden. In Kombination mit Quellenarbeit leiste ich dabei einen Beitrag zu mehr theoretischen und methodologischen Debatten, insbesondere durch eine sich derzeit im Druck befindende Sonderausgabe über „Global Religious History“ für Method & Theory in the Study of Religion (mit Giovanni Maltese, Theologie Hamburg). Hauptziele dieser Bestrebungen sind die Entwicklung eines systematischen globalhistorischen Ansatzes in der Religionswissenschaft sowie darüber hinaus reichende Kollaborationen mit anderen Disziplinen und Forschungsfeldern.
Globale Verflechtungsgeschichte der Religionswissenschaft
Es ist inzwischen wohlbekannt, dass die Entstehung der vergleichenden Religionsforschung (comparative religion) im 19. Jahrhundert nur unter der Berücksichtigung globaler Austauschprozesse verstanden werden kann. Der Fokus der Forschung ruht jedoch bisher fast ausschließlich auf „westlichen“ Akteuren, vor allem aus Europa und Nordamerika. Durch meine laufende Arbeit möchte ich zeigen, dass comparative religion und die sich daraus entwickelnde Religionswissenschaft aktiv und bedeutend von „nicht-westlichen“ Akteuren geprägt wurde: Die Entstehung der Religionswissenschaft muss demzufolge aus der Perspektive einer globalen Verflechtungsgeschichte untersucht werden. Dies demonstriere ich anhand des Austauschs zwischen bengalischen Hindu-Reformern, christlichen Unitariern, Orientalisten und Theosophen im 19. Jahrhundert. Die vielseitigen Teilnehmer an diesen Diskursen trugen maßgeblich zu Verhandlungen der Bedeutung von Religion und ihrer Beziehung zu Wissenschaft und Philosophie bei, aber auch zu damit verbundenen philologischen Forschungen, die von Friedrich Max Müller prominent als science of religion oder Religionswissenschaft genannt wurden. Müller korrespondierte dabei intensiv mit Intellektuellen aus Nordamerika, insbesondere mit Vertretern von Unitarismus und Transzendentalismus; aber auch mit indischen Intellektuellen, vor allem mit Vertretern des hindu-reformerischen Brahmo Samaj. Auch Mitglieder der esoterischen Theosophischen Gesellschaft trugen signifikant zu jenen Debatten bei. Das Projekt wird somit nicht nur die Wichtigkeit globaler Verflechtungen für ein Verständnis dieser Kontexte aufzeigen können, sondern auch die Unklarheit von Trennlinien zwischen hinduistischen und christlichen Reformern, Orientalisten, Theologen und Esoterikern. Es wird daher einerseits neue Einblicke in die Disziplingeschichten von Theologie und Religionswissenschaft ermöglichen, andererseits aber auch in grundsätzliche Themen in Bezug auf Religion, Kolonialismus, Moderne und Historiographie.
Perspektiven auf Esoterik und Politik
Die politischen Dimensionen von Esoterik erforsche ich vor allem anhand dreier Schwerpunkte: 1) Der Kontext des kolonialen Indiens; 2) Sozialismus und andere dem linken Spektrum zugeordnete Strömungen; 3) völkische Bewegungen, Nationalsozialismus, Neonazismus und Rechtsextremismus, wozu auch gegenwärtige Beispiele zählen wie der Terroranschlag in Christchurch, faschistische Milizen in der Ukraine, US-amerikanische Phänomene wie QAnon und die Alt-Right, sowie grundlegende Themen wie Verschwörungstheorien oder Traditionalismus. In der Tat bestehen zwischen diesen augenscheinlich sehr verschiedenen Schwerpunkten bedeutende und zahlreiche Verbindungen und Überschneidungen, die sich insbesondere gut aus der Perspektive einer globalen Verflechtungsgeschichte erforschen lassen.
Religion und Politik im modernen Asien
Die Grundlage für meine Herangehensweise an das Verhältnis von Religion und Politik in Asien wurde vor allem durch meine rezente Forschung zu Tantra im 19. und 20. Jahrhundert gebildet. Darin stellte ich auch die Bedeutung des Themas für (Anti-)Kolonialismus, Unabhängigkeitsbestrebungen und Nationalismus heraus. Diesbezüglich spielte auch Esoterik eine entscheidende Rolle, wie auch die Publikationen zu Theosophy across Boundaries und New Approaches to the Study of Esotericism zeigen. Das Themenfeld birgt ein enormes Forschungspotential, das ich in Form von Kollaborationen weiter ausschöpfen möchte. Mein eigenes Augenmerkt richte ich dabei auf Südasien, strebe aber eine Zusammenarbeit mit Perspektiven auf den Raum vom Nahen Osten bis hin zu Ostasien an. Auch hier formt der Ansatz einer globalen Religionsgeschichte den konzeptionellen Rahmen, der allerdings systematisch weiter auf das Verhältnis von Religion und Politik ausgerichtet werden soll.